Das "echte" Leben treffen - Predigt vom 23. August 2020

Pastor Michael Ebener über Römer 1, 11

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

1.
Denn ich möchte Euch so gerne einmal treffen.
Römer 1, 11

Thunberg trifft Merkel.

Merkel trifft Macron.

Macron trifft auf Menschen in Beirut.

Die hat es schwer getroffen

Lukaschenko will niemanden mehr treffen.

Dann muss er sich selbst genügen!


Dann reicht’s aber nicht:

Der Mensch ist kein Einzelwesen!

Gut, wer einen Menschen hat, den er treffen kann.

Nicht nur einmal – täglich, immer wieder.


Denn ich möchte Euch so gerne einmal treffen.


Meine Tochter möchte „ihre Leudis“ treffen.

Sie meint die Komiliton*innen im Wohnheim.

Aber da ist kaum jemand –

macht auch keinen Sinn im digitalen Semester

und mit allen Abstandsregeln.


Im Grunde möchte sie ihr „altes Leben“ wieder treffen:

Das Ungezwungene einer zufälligen Begegnung auf dem Campus.

Das Kreative des persönlichen Austauschs im Seminar.

Das Wohlvertraute unter ihren Mitbewohnern.

Das Spannende bei Neuzugängen.

Das Ausgelassene einer Party –

alles tanzt ...


Aber das „alte Leben“ ist es ja nicht, ist es nie,

wenn man „seine Leudis“ trifft.

Jede Sehnsucht nach Begegnung ist Sehnsucht nach Leben!

Jede Begegnung macht das Leben neu

öffnet die Welt, die wir teilen,

und den eigenen Horizont!

Der Mensch ist kein Einzelwesen.

Gut, wer einen Menschen hat –

viele, „Leudis“, Schwestern und Brüder.



2.

Denn ich möchte Euch so gerne einmal treffen.


Paulus will die Römer*innen treffen.

Nach Rom führen alle Wege, nur seiner nicht, bisher.

Er will die Gemeinde besuchen –

die Menschen, die Schwestern und Brüder.

Glaube ist Leben und Leben Begegnung,

deshalb möchte ich Euch so gerne einmal treffen.


Paulus ist ein Meister virtueller Kommunikation.

Er hat sie quasi erfunden!

Ohne seine Briefe – virtuelleste Kommunikation im Jahre 50 nach!

wäre er nichts.

Und uns gäbe es wahrscheinlich auch nicht ...


Trotzdem weiß Paulus um den Wert „echter“ Begegnung.

Deshalb brennt er darauf, „seine Leudis“ zu treffen –

überall, wo es christliche Gemeinden gibt, auch in Rom.

Deshalb nimmt er lange Reisen durch „Risikogebiete“ auf sich,

auf denen man sich leicht das Virus einfangen kann,

auf denen sie ihn anzeigen, auspeitschen und aus der Stadt jagen,

auf denen ihn Piraten überfallen oder er im Seesturm untergeht.


Nur um am Ende womöglich dasselbe zu hören,

wie so oft, wenn er seinen Briefpartner*innen gegenübersteht:

In „echt“ bist Du ja gar nicht so beeindruckend!

 
Paulus hat eine unerschütterliche Sehnsucht nach den Anderen,

er möchte sie so gerne einmal treffen.

Er weiß, dass der Mensch kein Einzelwesen ist.

Vielleicht spürt er das umso intensiver,

weil er nicht den einen Menschen hat,

der die elementare Einsamkeit durchbricht.

Vielleicht hat er auch JESUS nur sehr gut verstanden:

JESU GEIST entfaltet sich dort,

wo zwei oder drei oder viele in SEINEM Namen versammelt sind!


Die „Kirche“ ist das „Haus des HERRN“ griech. kyriaké (oikía),

aber das besteht nicht aus Steinen und Wänden,

sondern aus Menschen!

„Kirche“ griech. ekklesía heißt Versammlung, „Bürgerversammlung“ –

„Herausrufung“ aller zum Versammlungsplatz.

Im „Haus des HERRN“ trifft sich die versammelte Gemeinde

aus zwei oder drei oder vielen.


„Ich möchte Euch so gerne einmal treffen“

ist keine Sonderregung eines alten Apostels.

Das ist ein Grundimpuls von Christenmenschen!


3.

Was sind das da gerade für elende Zeiten!

 
Versammlung und Begegnung sind unser „Markenkern“.

Und hier macht das Virus so vieles kaputt.


Alleine glauben geht:

Ich kann in meinem stillen Kämmerlein an alles Mögliche glauben

und mir mein Göttchen zimmern.

Und meditieren und den Atem strömen lassen,

kann ich auch im Wald.

Aber Christsein alleine geht nicht –

und das ist kein Moralurteil.

Christsein virtuell und online geht auf Dauer auch nicht.

Das ist nur ein Notbehelf.


Lebendige Gemeinde –

das sind Menschen, die Lust haben, sich zu treffen,

die sich darauf freuen, einander kennen zu lernen,

die sich im großen Ganzen zur Freude sind,

auch wenn sie sich manchmal auf die Nerven gehen,

die nicht voneinander lassen,

weil der HERR sie nun einmal aufeinander gewiesen hat.


Als Kirche, als Gemeinde sind wir von Corona ins Mark getroffen!

Kein Onlineangebot kann die versammelte Gemeinde ersetzen,

kein noch so liebevoller Brief die Begegnung.

kein Kaffeebonbon das Kirchcafe.


Ich möchte Euch so gerne einmal treffen

Grundimpuls von Christenmenschen!



4.

Der Mensch ist kein Einzelwesen.

Wir brauchen einander.

Nicht damit wir das „alte Leben“ wieder treffen,

sondern das neue –

das Leben an sich!


Ich möchte,

dass wir uns bei meinem Besuch

gegenseitig ermutigen durch den Glauben,

der uns verbindet –

Ihr mich durch Euren Glauben

und ich Euch durch meinen Römer 1, 12,

sagt Paulus.


Nach wirklicher Begegnung ist niemand der Alte –

auch im Glauben nicht!

„Echtes“ Leben ist es nur,

wenn wir einander auch „in echt“ treffen,

selbst wenn ein „Restrisiko“ bleibt.

Das betrifft die Begegnungen im „Haus des HERRn“ genauso

wie in unserem ganz privaten Umfeld.

Wie wir diese notwendige Begegnung –

und eine der notwendigsten ist die hier im Gottesdienst!

verantwortungsvoll gestalten,

ist die große Aufgabe der nächsten Monate, Jahre …


Paulus ist übrigens tatsächlich nach Rom gekommen!

Davon konnte ihn nichts und niemand abhalten,

denn ich möchte Euch so gerne einmal treffen.

Aber das war keine Urlaubskreuzfahrt.

Man hat ihn übers Mittelmeer nach Rom eskortiert,

weil ihm dort der Prozess gemacht werden sollte.

In Rom durfte er sich dann sogar eine eigene Wohnung mieten,

aber die Behörden haben ihn unter „Hausarrest“ gestellt.


Paulus blieb volle zwei Jahre in seiner Mietwohnung.

Er hieß alle willkommen,

die zu ihm kamen.

Er verkündete ihnen das Reich GOttes

und lehrte sie alles über JESUS CHRISTUS, den HERRn –

mutig und offen

und völlig ungehindert. Apg 28 , 30f.


Der GEIST GOttes, liebe Schwestern und Brüder,

der sich in den zwei oder drei oder den vielen entfaltet,

die sich in JESU Namen sammeln,

sorgt offenbar auch selbst dafür,

dass ER sich mit uns treffen kann –

und wir uns untereinander.


Der GEIST GOttes sorgt selbst mit dafür –

auch in elenden Zeiten und in einer römischen Mietwohnung,

aus der selbst ein Apostel nicht rauskommt …

Gut ist das!

Amen.

 

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