Schließt den Himmel - - - nicht! - Predigt von Pastor Michael Ebener mit Johannes 1,51 vom 20. März 2022

Strauße stecken nicht den Kopf in den Sand. Wir schon. Nun bleibt nur Demut ...

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.


1.
Natürlich stimmt es nicht,
dass Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt,
wenn die Angst ihm in die Glieder fährt,
wenn er eine Gefahr auf sich zukommen sieht,
wenn er die Augen vor der Wirklichkeit verschließen will.

Der Strauß wäre ja entsetzlich dumm,
wenn er das täte und nicht einfach davonliefe:
Strauße sprinten bis zu siebzig Stundenkilometer schnell
und halten fünfzig Stundenkilometer konstant!

Dass die Wendung vom Kopf- in- den-Sand-stecken
in Verbindung mit dem großen Federvieh sprichwörtlich ist,
ist dem Umstand geschuldet,
dass es uns so erscheint,
als steckte der Strauß den Kopf in den Sand.
In den Luftflirrungen der Wüste sieht es so aus,
als sei der Kopf im Sand verschwunden,
wenn der Strauß am Boden nach Fressbarem sucht.

Strauße stecken den Kopf nicht in den Sand.
Aber wir tun das,
wenn die Angst uns in die Glieder fährt,
wenn wir eine Gefahr auf uns zukommen sehen,
wenn wir die Augen vor der Wirklichkeit verschließen wollen –
viel zu lange haben wir das getan
und die Kosten dafür tragen wir nun - ein bisschen! -
an den Tanksäulen und Brotregalen.

Andere, ärmere Länder kostet es bald mehr!
In vielen Ländern Afrikas besteht große Abhängigkeit
von ukrainischem und russischem Weizen.
Was kommt auf die Menschen zu,
wenn Aussaaten und Ernten wegen des Krieges ausfallen?

Vor allem aber tragen die Kosten fürs Kopf-in-den-Sand-stecken
die Menschen in der Ukraine,
die weglaufen und fliehen,
obwohl sie nicht siebzig Stundenkilometer schnell sprinten
oder fünfzig Stundenkilometer konstant halten können –
die eingekesselt sind, unter Beschuss liegen und sterben,
die sich verteidigen und fallen.

Wir haben immer gesagt:
Nord Stream 2 ist eine Waffe.
Was haben wir als Antwort bekommen?
Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft.
Wolodymyr Selenskyi, 17.3.22 - Bundestag

Die Kosten für unser Kopf-in-den-Sand-stecken
sind zu hoch gewesen,
das sehen und bekennen wir jetzt.
Und auch die zehntausend russischen Gefallenen,
die dieser Angriffskrieg bisher wohl gekostet hat,
stehen mit auf der Rechnung …

Die einzig angemessene Geste auf all das,
wäre die der Demut:
den Kopf gesenkt, die Hand aufs Herz,
die Augen zum Himmel.

Und was macht der Deutsche Bundestag,
als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi am Donnerstag
an dieses historische Versagen erinnert
und von der Mauer zwischen Freiheit und Unfreiheit
inmitten Europas
spricht,
zu der immer neue Steine hinzugefügt werden,
wenn der Ukraine die EU-Mitgliedschaft nicht ermöglicht wird –
„Sie wollen nicht hinter die Mauer gucken.
Reißen Sie die Mauer nieder!“

was tut der Deutsche Bundestag?

Die Abgeordneten applaudieren stehend,
Selenskyis Liveschaltung nach Kiew bricht ab - - -
und das Hohe Haus beginnt eine Geschäftsordnungsdebatte!
Am Ende gratuliert die Parlamentspräsidentin
zwei Parlamentariern zum Geburtstag:
Herzlichen Glückwunsch!

Vielleicht ist die Scham so groß,
dass es gar nicht anders geht.
Aber das ist nicht die Demutsgeste,
die die Ukrainer erwarten dürfen
nach all dem Kopf-in-den-Sand-stecken.

Den Kopf gesenkt, die Hand aufs Herz,
die Augen zum Himmel ...


2.
Amen, amen,
das sage ICH Euch:
Ihr werdet den Himmel offen sehen.
Und die Engel GOttes
werden vom Menschensohn hinaufsteigen
und von dort wieder zu ihm herabsteigen.
Johannes 1,51 (BasisBibel)

Dass wir den Himmel offen sehen
ist eine beglückende Perspektive
in diesen bedrückenden Tagen!

JESUS sagt das zu einem SEINER ersten Jünger,
ganz zu Beginn SEINES Wirkens in Galiläa –
ein fast beiläufiger Satz:
Am nächsten Tag wollte JESUS nach Galiläa aufbrechen.
Da traf ER Philippus.
JESUS sagt zu ihm:
„Folge MIR!“
Philippus kam aus Betsaida,
das ist die Stadt, aus der auch Andreas und Petrus stammten.
Philippus sucht Natanael auf und sagt zu ihm:
„Wir haben den gefunden,
von dem Mose im Gesetz geschrieben hat
und den die Propheten angekündigt haben.
Es ist JESUS, der Sohn Josefs. ER kommt aus Nazaret.«
Da fragte ihn Natanael:
„Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?“
Philippus antwortete:
„Komm und sieh selbst!“

Als JESUS Natanael zu sich kommen sah,
sagte ER über ihn:
„Das ist ein wahrer Israelit:
ein durch und durch aufrichtiger Mann!“
Da fragte IHN Natanael:
„Woher kennst DU mich?“
JESUS antwortete:
„Noch bevor Philippus dich rief,
habe ICH dich unter dem Feigenbaum gesehen.“
Natanael erwiderte:
„Rabbi, DU bist der SOHN GOttes.
DU bist der KÖNIG Israels!“
JESUS antwortete:
„Glaubst du das, weil ICH dir sagte,
dass ICH dich unter dem Feigenbaum gesehen habe?
Du wirst noch viel größere Dinge zu sehen bekommen!«
Und ER sagte zu ihm:
„Amen, amen,
das sage ich euch:
Ihr werdet den Himmel offen sehen.
Und die Engel Gottes werden vom Menschensohn
zum Himmel hinaufsteigen und
von dort wieder zu ihm herabsteigen!“
Johannes 1, 43-51

Natanael kennt die Schrift und weiß,
worauf der MEISTER Bezug nimmt:
Die wunderbare Episode,
als sich über Stammvater Jakob der Himmel öffnet
auf seiner Flucht vor dem eifersüchtigen Bruder Esau.
Und Jakob sieht die Engel hinauf- und herabsteigen,
hört dazu die Stimme GOttes,
die ihm Mut zuspricht:
Und siehe,
ICH bin mit Dir
und will Dich behüten, wo Du hinziehst,
und will Dich wieder herbringen in dies Land.
Genesis 28, 15

Eine Durchhalteparole für einen Flüchtling ist das,
der nur noch den Stein am Kopfende besitzt,
unterstützt durch ein gewaltiges Bildgeschehen
auf der Grenze von Traum und Wirklichkeit.
Aber damit die Engel Gottes vom Menschensohn –
dem Menschenkind an sich!

zum Himmel hinaufsteigen und
von dort wieder zu ihm herabsteigen
können,
dafür muss der Himmel offen bleiben!

GOtt hält den Himmel offen
über Jakob auf der Flucht,
über JESUS nach dem Karfreitag,
bald auch über Natanael und den anderen Zwölf und vielen –
immer dort,
wo Menschen in die Passion geraten,
vor den Trümmern ihres Lebens stehen,
flüchten, leiden, sterben aus welchen Gründen,
aus wessen Schuld auch immer.
So bleibt GOtt zugänglich im Leid,
das Menschen erdulden und verschulden:
Engel
tragen Mutmachworte nach unten,
bestärken zu Gesten der Güte und Barmherzigkeit,
ermutigen zu Taten der Selbstlosigkeit und Hingabe.
Und Engel tragen Tränen und Gebete,
Anklagen an die Welt, ans Leben und an GOtt
samt allem Tun des Richtigen und Falschen nach oben,
damit Ausgleich und Gerechtigkeit am Ende siegen können.
Und das tun sie immer!
Aber nur, wenn der Himmel offenbleibt …


3.
Close the sky over Ukraine
schließt den Himmel über der Ukraine!
lesen wir auf den Plakaten der Solidaritätsdemonstrationen,
hören wir von den Eingeschlossenen in Kiew und Mariupol,
vom Präsidenten Selenskyi und allen,
die noch eine Stimme für das ukrainische Volk erheben können.

Das Flehen, das Einfordern jenseits der Diplomatie,
die traurige Wahrheit auf den Gesichtern der Menschen
sind so furchtbar, dass es kaum zu ertragen ist.
Am liebsten würden wir den Kopf-in-den-Sand-stecken.
Wie sollen wir einander danach bloß in die Augen sehen –
wenn es denn ein „Danach“ gibt …?

Der Impuls den Himmel sofort zu schließen, ist da:
Wer wollte nicht verhindern,
dass Russlands Raketen und Bomber
die Städte dieses stolzen Landes dem Erdboden gleichmachen
und dabei so viele Unschuldige in den Tod reißen?

Den Himmel schließen über der Ukraine,
würde den Verlauf des Krieges verändern.
Aber es bedeutet eben nicht,
zivilen Flugzeugen das Durchqueren zu verbieten,
sondern den Abschuss aller russische Kampfjets,
die sich im Lauftraum der Ukraine bewegen,
die Vernichtung der Start- und Landevorrichtungen,
das Bombardement aller russischen Raketenstellungen
und das Töten aller Soldaten und Personen, die in der Nähe sind.
Und es steht zu befürchten, dass gerade die Menschen,
die jetzt mitten im Feuer sind,
die am verzweifelsten das Eingreifen der NATO
zu ihrem Schutz und zum Schutz ihrer Kinder,
ihrer Kirchen und Theater fordern,
nichts davon hätten,
weil dann womöglich die ganze Welt in Flammen steht.


4.
Amen, amen,
das sage ICH Euch:
Ihr werdet den Himmel offen sehen.
Und die Engel GOttes
werden vom Menschensohn hinaufsteigen
und von dort wieder zu ihm herabsteigen.

Das sagt JESUS zu denen,
die leiden, die – noch mehr! – leiden werden,
und zu denen,
die das Leid nicht verhindern können,
die Schuld auf sich laden –
egal, was sie tun oder was sie nicht tun.

Und deshalb sagen wir am besten gar nichts. - - -
Nehmen die einzig angemessene Geste ein,
die die Ukrainer erwarten dürfen
nach all dem Kopf-in-den-Sand-stecken
die der Demut:
den Kopf gesenkt, die Hand aufs Herz,
die Augen zum Himmel.
Amen.

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