"Rückwärts verstehen, vorwärts leben" Predigt über die Jahreslosung 2025

Rückwärts verstehen, vorwärts leben
Ausschnitt aus der Predigt über die Jahreslosung 2025 aus I. Thessalonicher 5, 21
Pastor Michael Ebener, Ev.-Ref. Gemeinde Göttingen

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

1.

Sören hat Angst,
Sein Grundzustand, sein „Pfahl im Fleisch“.
Er ist ein schwermütiger Mensch – das hat er vom Vater.
Tiefreligiös ist der zudem.
Er nimmt an, dass er eine frühe Sünde büßen muss
und all seine sieben Kinder vor ihm selbst dahinsterben.
Und der Fluch scheint wahr zu werden:
Nur Sören und ein Bruder werden erwachsen!
Von Sörens Mutter wissen wir wenig.
Aber sie allein kann ihn ein wenig aufheitern,
stirbt jedoch, da ist er knapp über zwanzig …

Als er sich dann selbst verliebt und binden will,
er vierundzwanzig, sie, Regine, gerade vierzehn,
und endlich alle äußeren Bedingungen stimmen:
Examen, Verlobung, Dissertation und Alter,
verlässt ihn der Mut und er zieht zurück.

Er möchte seine Braut vor einem Mann bewahren,
der sie nicht glücklich machen kann,
weil er nicht glücklich ist.

Dass er dabei ein Leben lang – Lang ist es nicht: nur 42 Jahre!den „Friedhof“, Kirkegaard, im Namen trägt,
hat auch nicht zur Gemütserhellung beigetragen.
Aber so sehr Sören auch weiß,
woran und wie er leidet,
wird ihm in der Reflexion seiner Existenz doch bewusst,
dass sein „Pfahl im Fleisch“, die ererbte Schwermut,
auch ein Quell der Schaffenskraft ist.
Er lernt, in der Angst, die ihn prägt, nicht zu versinken.
Er erkennt in der Prüfung, in der stetigen Rückschau seines Lebens,
mit all den Brüchen, persönlich und öffentlich,
in den schmerzhaften publizistischen Auseinandersetzungen
und all dem Streit ums ursprüngliche Christentum,
von dem die dänische Staatskirche schändlich abgefallen sei,
dass diese Angst auch ein immer wieder vorwärtstreibendes Element
seiner eigenen denkerischen Entwicklung gewesen ist.

Es ist ganz wahr“,
bestätigt uns Sören Kirkegaard deshalb so prägnant,
dass es zur Postkartenweisheit geworden ist:
Es ist ganz wahr,
was die Philosophie sagt,
dass das Leben rückwärts verstanden werden muss.
Aber darüber vergisst man den andern Satz,
dass vorwärts gelebt werden muss.
Sören Aaby Kierkegaard, Die Tagebücher 1834-1855, Auswahl und Übertragung von Theodor Haecker, S. 15

Sören erkennt in der Prüfung,
wofür seine Angst gut gewesen ist – und da er sie sowieso nicht los werden kann,
behält er sie, lebt vorwärts und macht das Beste daraus.
Das gelingt längst nicht jeder und jedem, Sören aber!
Und es entsteht ein beeindruckendes Werk der Selbstreflexion in den Tagebüchern,
dazu Schriften zu Existenzphilosophie und Theologie,
die bis heute nachwirken.

Prüft also alles

und behaltet das Gute!

Die vollständige Predigt können Sie hier herunterladen


HERZLICH WILLKOMMEN BEI DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN GEMEINDE GÖTTINGEN

Über dem alten Kirchenportal: Bekenntnis zum Gott, an den schon Abraham und Sara glaubten - eingezeichnet ins Symbol für die Dreieinigkeit

Als christliche Gemeinde mit reformierter Prägung bilden wir die Vielfalt unserer Stadt ab. Bei uns gibt es Fromme und Zweifler, Widerspenstige und Tolerante. Manche schätzen die herzliche Atmosphäre, andere suchen die Auseinandersetzung um theologische und gesellschaftspolitische Themen. Uns allen gemeinsam ist, dass wir unsere Kirche lieben und uns von diesem Raum prägen lassen. Die Kirche in der Unteren Karspüle wurde im Jahre 1753 eingeweiht. Ihre Gestaltung ist geprägt vom Geist der Aufklärung: Wie in einem Hörsaal sitzt sich die Gemeinde gegenüber. Die Kirche bildet zusammen mit Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kindertagesstätte das "Reformierte Zentrum" in der Stadtmitte.
Unsere Gemeinde entstand im 18.Jahrhundert im Zusammenhang mit der Gründung der Universität. Sie entwickelte sich als selbständige Gemeinde im lutherischen Umfeld der Stadt Göttingen. Die Unabhängigkeit hatte bis zum Jahr 2012 Bestand. Seit dem 1.1.2013 ist die Gemeinde Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche.
Neben den Gemeindegliedern gibt es viele weitere Menschen, die sich uns verbunden fühlen.
Der Gottesdienst ist uns wichtig und darin besonders die Predigt. Manchmal singen wir auch Psalmen, aber nur wenige glauben noch an die Prädestination oder lesen regelmäßig im Heidelberger Katechismus. Übers Abendmahl streiten wir nicht mehr: Da sind alle eingeladen!
Wir wollen ökumenische Geschwisterlichkeit leben und dabei nie vergessen, dass wir als Christinnen und Christen jüdische Wurzeln haben.

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